Er ist im Schnitt gerade einmal sechs Zentimeter lang und zwei bis drei Gramm schwer. Der Winzling, der einst aus anderen Gewässern eingeschleppt worden ist, breitete sich seit einigen Jahren explosionsartig im Bodensee aus und setzte heimischen Arten zu. Eine im Sommer veröffentlichte Studie hatte gezeigt: Stichlinge fressen deutlich mehr Felchennachwuchs als bislang angenommen.

Nach Angaben der Forscher macht der Stichling inzwischen mehr als 90 Prozent der Fische im Freiwasser aus. 2024 soll der kleine Räuber nun versuchsweise abgefischt werden. Wie das ablaufen soll, haben wir Alexander Brinker, Leiter der Fischereiforschungsstelle Baden-Württemberg, gefragt.

Alexander Brinker, Leiter der Fischereiforschungsstelle in Langenargen
Alexander Brinker, Leiter der Fischereiforschungsstelle in Langenargen | Bild: Cuko, Katy

„Geplant ist ein Pilotprojekt in der Schweiz mit Kleinreusen im Uferbereich“, erklärt der Forscher. Außerdem soll der Fisch mit Schleppnetzen aus dem Obersee geholt werden. Die Federführung für diesen Versuch liege in Bayern, die Berufsfischer seien an dem Projekt beteiligt.

Wie findet man die richtigen Stellen?

Beim Versuch mit den Kleinreusen im Uferbereich soll laut Alexander Brinker das Laichverhalten der Stichlinge genutzt werden, das heißt, der Nestbau am Ufer. „Reusen sind passive Fanggeräte und auf das Einschwimmen der Tiere angewiesen“, erläutert der Wissenschaftler. Und bei der zweiten Methode? Die Fische im Freiwasser würden mit dem Echolot geortet und die Stellen dann gezielt angefahren.

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Wie häufig müssen die Stichlinge abgefischt werden?

„Das hängt von der Effizienz der getesteten Maßnahmen ab“, betont Brinker. Erreicht werden soll eine Reduktion des Bestands von etwa 80 Prozent. Die Anrainerstaaten des Bodensees hätten sich in diesem Sommer auf das Vorgehen verständigt. „Die Berufsfischer sind in diesen Prozess eingebunden. Die rechtliche Seite wird durch die Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei (IBKF) im Rahmen ihrer Befugnisse abgedeckt“, so der Experte.

Seit wann taucht der Stichling im Bodensee auf?

Erste Sichtung im Bodensee sind nach Erkenntnissen der Forscher auf das Jahr 1951 datiert. „Er hat sich zunächst vom Untersee kommend über das gesamte Uferareal inklusive Obersee ausgebreitet. Die Invasion ins Freiwasser, die ursächlich für die aktuelle Problematik ist, erfolgte 2012.“

Wie sehr hat sich der Fisch seither im See verbreitet?

Dichten von 10.000 Stichlingen pro Hektar Wasseroberfläche im Obersee sind seitdem zu beobachten. „Er ist damit der häufigste Fisch im Freiwasser und nicht, wie natürlicherweise zu erwarten, der Felchen“, erläutert Brinker. Warum er sich so stark ausbreitet, wird aktuell noch erforscht. Die Ausbreitung sei sehr ungewöhnlich und werde weltweit in dieser Form kaum wo anders beobachten. Ob der Stichling neben dem Felchen auch anderen Beständen zur Gefahr wird, ist derzeit noch unklar.

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Ist der Stichling ein Speisefisch?

Wenn der Stichling so häufig im See auftaucht, warum landet er dann nicht auf unserem Teller? Die Frage, ob der Stichling ein Speisefisch ist, kommt in den Suchmaschinen besonders häufig vor. Bodenseefischer winken immer wieder ab: zu klein und zu knochig. Was sagt der Experte der Fischereiforschungsstelle? Theoretisch könnten Stichlinge verzehrt werden. Dann folgt aber schon das große Aber. Brinker spricht von einem bitteren Geschmack. Zudem seien sie sehr klein, voller Gräten, Stacheln und Knochenplatten.

Kann er anderweitig genutzt werden?

Jetzt sollen sie abgefischt werden. Was passiert dann mit den Winzlingen? Theoretisch können sie zu Fischmehl und –öl verarbeitet werden und dann in verschiedene Produktketten eingepflegt werden, erläutert Brinker. „Die Schweizer Kollegen testen zudem eine Verwertung im Tierfutterbereich. Auf die Frage, ab wann die Stichlinge aus dem See geholt werden sollen, sagt der Forscher: Die Reusen werden im Frühjahr während der Laichzeit eingesetzt, Schleppnetze sollen dann im Herbst zum Einsatz kommen.